Finanzkrisen
Über die Arbeitsgemeinschaft
Die Krisen des frühen 21 Jahrhunderts verdeutlichen auf dramatische Weise die zuneh- mend enge Verzahnung von Politik und Finanzwesen. Durch diese Verzahnung sind auch Gründe des Marktversagens engstens verknüpft mit Gründen des Staatsversagens. Aufgabe der 2012 neu eingerichteten Arbeitsgemeinschaft ist die Aufarbeitung der Lehren aus diesen jüngsten Krisen mit dem Ziel, Perspektiven für eine neue stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu entwickeln. Auf einem ersten interdisziplinären Workshop „The Financial Crises of the 21. Century“ unter Mitwirkung von Vertretern der Fachbereiche Staatswissenschaft, Volkswirtschaftslehre, Finanzwirtschaft, Unternehmensrechnung und Controlling, Finanzwissenschaft, Publizistik- und Kommunikations- wissenschaft, Psychologie, sowie einem Experten der OeNB wurden ausgewählte Fragen aus den Bereichen The Private Sector Crisis, The Public Sector Crisis, Trust and Economic Behavior, Institutions and Political Behavior und Market Information, Media and Political Behavior erörtert.
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Aktivitäten
2016
Die Krisen des frühen 21 Jahrhunderts verdeutlichen auf dramatische Weise die zunehmend enge Verzahnung von Politik und Finanzwesen. Durch diese Verzahnung sind auch Gründe des Marktversagens engstens verknüpft mit Gründen des Staatsversagens. Aufgabe der 2012 eingerichteten Arbeitsgemeinschaft ist die Aufarbeitung der Lehren aus diesen jüngsten Krisen mit dem Ziel, Perspektiven für eine neue stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu entwickeln. Im Jahr 2016 fand ein Workshop zum Thema „Rules, Trust and Social Resiliency“ in Innsbruck statt. Es wurden dabei die Spannung zwischen langfristigen Bindungswirkungen von Regeln und kurzfristiger Opportunität auch im Lichte von Labor- und Feldversuchen diskutiert. Welche Institutionen stärken längerfristig orientierte Geschäftsmodelle und somit die Resilienz einer Unternehmung (oder Bank)? Gewünscht wurde hierbei insbesondere auch ein interdisziplinärer Austausch der Wirtschaftswissenschaften mit den Verhaltens- und den Rechtswissenschaften und der Soziologie. Auch hier konnten insbesondere experimentell arbeitende Nachwuchsgruppen wie etwa an den Universitäten Innsbruck, Wien, Zürich zur Teilnahme gewonnen werden.
2015
Zentrales Thema des Nachwuchswissenschaftlerworkshops „Accounting, Information, and Financial Crises“ in Graz war das Thema Transparenz. Gemeinsam mit den Keynote-Speakern Robert Bushmann (Northern Carolina, Chapel Hill) und Marco Pagano (Neapel und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Systemic Risk Board der EZB) sowie namhaften lokalen Experten der beiden Doktorandenkollegs DART und VGSF sowie angrenzender Universitäten konnten Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum die Vor- und Nachteile transparenter Buchführung (fair-value accounting) und transparenten Handels diskutieren. Es zeigte sich sehr schnell, dass buchhalterische Transparenz über Fundamentalwerte alleine wohl nicht für das krisenhafte Verhalten verantwortlich gemacht werden kann. Insbesondere war ja der Auslöser der Subprime Krise – schlechte Immobilienkredite – von Anfang an bekannt, wie sich bereits im Namen wiederspiegelt. Kritischer dagegen ist Transparenz zu bewerten, die taktisches Verhalten beeinflusst und bspw. Spekulation über Insolvenz bzw. insolvenzbasierte Handelsmotive erleichtert. Sog. Fixed income securities definieren Schwellenwerte, gegen die spekuliert werden kann und die insofern sog. Runs auslösen können. Handelbare Produkte mit flexiblen Zahlungsströmen dagegen reduzieren die Kosten strategischer Runs. Im Rahmen des Panels wurde auch die Frage diskutiert, inwiefern Überregulierung verbunden mit niedrigen Zinsen ein Bankensterben induzieren und damit verbunden eine Verlagerung der Finanzierungsfunktion für langfristige Investition auf weniger regulierte Hedgefunds oder Schattenbanken. Insofern könnte die „Überregulierung“ des Bankensektors paradoxerweise neue nicht intendierte systemische Risiken außerhalb des regulierten Sektors generieren.
2014
Mit der Schaffung der Europäischen Bankenunion wurde in Europa erst in der Reaktion auf die Krise der längst überfällige Schritt zu einer gemeinsamen Europäischen Bankenaufsicht vollzogen. Zentrales Element dieser Bankenunion ist die Übernahme der Aufsichtsverantwortung durch die Europäische Zentralbank. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass die Zentralbank als „lender-of-last-resort“ bei dieser institutionellen Regelung im Krisenfall ein Maximum an relevanter Information über die Qualität der Bankenaktiva (Kredite und andere Aktiva) zur Verfügung steht. Ein Nachteil besteht allerdings darin, dass die Aufsichtsfunktion eine unabhängige Geldpolitik verhindert; ein weiterer besteht in der impliziten Behinderung gesunder Geschäftsmodelle durch eine Zentralbank, die zu großzügig gegenüber schwachen (Gross-) Banken wird, um mit großzügiger Liquiditätsversorgung deren Solvenz zu erhalten. Insofern hat eine mit Aufsichtsfunktionen gekoppelte Geldpolitik zwangsläufig reale Folgen für die Wirtschaft. (Details finden sich hierzu in Hintergrundpapieren von Thomas Gehrig.) Vor der Übernahme der Aufsichtsverantwortung durch die EZB wurde im Rahmen eines „Europäischen Stresstests“ zunächst für die ca. 130 größten europäischen Banken ein „Asset Quality Review“ vorgenommen und anschließend die Robustheit der Bilanzen getestet. Unmittelbar nach der öffentlichen Bekanntgabe dieser Ergebnisse hat die Arbeitsgruppe eine hochkarätige tagesaktuelle Paneldiskussion zur Diskussion dieser Ergebnisse organisiert, zu der neben dem Leiter der Mikroprudentiellen Bankenaufsicht der EZB, Dr. Jukka Vesala auch Dr. Ulf Lewrick von der BIZ, Basel, Claus Puhr, Leiter der Systemic Risk Assessment Unit der OeNB, Dr. Karel Lannoo, CEO des Brüsseler Think Tanks CEPS, Prof. Dr. Thomas Breuer, FH Vorarlberg und Cristina Marzea, Analyst von Barclays, London eingeladen wurden.
2013
Im Rahmen einer transatlantischen Konferenz „Banks and Government in Globalized Markets“ wurde in Kooperation mit der ÖNB die wechselseitige Beziehung zwischen Politik und Banken in den unterschiedlichen Finanzsystemen Amerikas , Englands und Kontinentaleuropas diskutiert. Ein wichtiges Ergebnis ist dabei, dass die Verbindungen zwischen Regierungen und Banken und Europa (sog. „doom loop“) sehr viel intensiver sind, wodurch sich deutlich höhere Hemmschwellen zur Auflösung erfolgloser Geschäftsmodelle ergeben. Während sich in den USA die Regierung sogar mit Gewinnen für den Steuerzahler aus der Sanierung des Bankensystems herausnehmen konnte, wurden in Europa gerade die Grundprinzipien einer vereinheitlichen Bankenaufsicht verabschiedet. Insofern waren die Bankenprobleme westlich des Atlantiks bis 2013 weitgehend gelöst, während sie sich östlich des Atlantiks weiterhin vergrößerten. Ein geplanter Nachwuchswissenschaftlerworkshop zum Thema „Trust and Economic Behaviour“ musste leider kurzfristig nach Absage des Keynote Speakers und auch aufgrund einer sehr begrenzten Zahl thematisch relevanter Beiträge abgesagt werden. Die Finanzkrise ist bis dato jedenfalls noch nicht in die Experimentallabors vorgedrungen.
2012
Im September 2012 fand die Auftaktveranstaltung der ARGE im Rahmen einer zwei-tägigen Konferenz über „The Financial Crises of the 21st Century“ in Wien statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden insbesondere Brücken zwischen verschiedenen Disziplinen und deren Erklärungsbeiträge zu den beiden großen Krisen diskutiert. Offensichtliche Brücken zeigten sich zwischen den Wirtschaftswissenschaften und der Politikwissenschaft, aber auch zur Psychologie und den Verhaltenswissenschaften sowie zu den Medienwissenschaften. Insbesondere die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Vertrauen und Krisenresilienz sowie die Rolle von Regeln als (langfristiger) Vertrauensanker wurden dabei als ein Schwerpunkt künftigen Interesses innerhalb der Arbeitsgruppe identifiziert.
2011
Im Herbst 2011 wurde unter dem Eindruck der aufkeimenden Europäischen Staatsschuldenkrise die ARGE „Finanzkrisen“ eingerichtet. Die Weltwirtschaftskrise von 2007/8 war gerade dabei, sich in eine Krise der europäischen Staatshaushalte zu verwandeln. Ziel der Arbeitsgruppe wurde somit unmittelbar das Bedürfnis nach einem besseren Verständnis der zugrundeliegenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge. Die Krisen des frühen 21 Jahrhunderts verdeutlichen auf dramatische Weise die zunehmend enge Verzahnung von Politik und Finanzwesen. Durch diese Verzahnung sind auch Gründe des Marktversagens engstens verknüpft mit Gründen des Staatsversagens. Aufgabe der 2012 eingerichteten Arbeitsgemeinschaft ist die Aufarbeitung der Lehren aus diesen jüngsten Krisen mit dem Ziel, Perspektiven für eine neue stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu entwickeln.